Mittwoch, 20. Januar 2010

Reif für mehr?


WM-Vorschau: Die Elfenbeinküste stellt derzeit wohl Afrikas beste Mannschaft. Neben Topstar Didier Drogba verfügt das Team von Vahid Halilhodzic über weitere internationale Weltklassespieler, die in ihren Vereinen absolute Stützen sind.

Argentinien, Niederlande, Serbien & Montenegro – das waren die Gruppengegner der Elfenbeinküste bei ihrer ersten WM-Teilnahme 2006 in Deutschland. Drogba & Co. scheiterten zwar letztlich an der Klasse von Argentinien und Niederlande, brachten jedoch die beiden europäischen Schwergewichte an den Rande einer Niederlage. Im letzten, bedeutungslosen Gruppenspiel gegen Serbien gewann man mit 3:2. Und auch heuer meinte es die Glücksfee nicht wirklich gut mit den Ivorern. In Gruppe G muss man sich mit Brasilien, Nordkorea und Portugal messen. Wieder müssten die Westafrikaner zumindest eine absolute Spitzennation schlagen um bei der zweiten Weltmeisterschaftsteilnahme en suite die K.O.-Runde zu erreichen. Das ist schwer, aber auch nicht unmöglich.

Der Favorit auf den Gruppensieg kristallisiert sich schon beim ersten Blick auf Tabelle heraus: Brasilien hat unter Dunga die WM-Qualifikation ohne Probleme geschafft und gewann die Südamerikavorausscheidung souverän. Die Selecaó glänzte dabei weniger mit Einzelspielern als viel mehr mit einem hervorragenden Kollektiv. Gerade deshalb sehen viele Experten den Rekordchampion heuer ganz besonders in der Favoritenrolle. Brasilien wird die Gruppe G aller Voraussicht nach am ersten Rang beenden, alles andere wäre eine echte Überraschung.

Portugal hatte zwar große Probleme in der Qualifikation und schaffte nur mit Müh’ und Not den zweiten Relegationsrang (ebenso mühsam erkämpfter Aufstieg gegen Bosnien), gehört jedoch sicherlich in den erweiterten Kreis der Titelanwärter. Mit Cristiano Ronaldo stellen die Südwesteuropäer zudem den Topstar des Turniers. Die Portugiesen gilt es zu schlagen, will die Elfenbeinküste das Achtelfinale erreichen. Schon am ersten Gruppenspieltag kommt es zum direkten Aufeinandertreffen zwischen der Elfenbeinküste und Portugal, bei dem die Weichen vermutlich schon entscheidend gelegt werden.

Der große Underdog und noch größere Außenseiter der Gruppe heißt Nordkorea, das sich in der Qualifikation keine Blöße gab und erstmal seit 1966 wieder dabei ist. Die Asiaten dürfen kein Problem für die Ivorer darstellen, will man im Konzert der Großen mitspielen. Ein echtes Problem könnte im Falle des Aufstiegs jedoch Spanien werden, das einer der zwei möglichen Gegner wäre, vorausgesetzt die Iberer setzen sich gegen die Schweiz, Chile und Honduras durch, was nicht völlig realitätsfern erscheint.

Führt man sich die derzeitige Kaderliste der Westafrikaner zu Gemüte, könnte das tatsächlich möglich sein: die mit zahlreichen bei europäischen Topklubs spielenden Stars gespickte Liste lässt jeden Fußballliebhaber mit der Zunge schnalzen.
Einzig die Torwartposition gilt – wie bei so vielen afrikanischen Mannschaften – als echte Achillesferse. Boubacar Barry, auch Copa genannt, (KSC Lokeren) war lange Zeit als fehleranfällig bekannt. Ein Ruf, der sich hartnäckig hält, obwohl Barry in Belgien sogar zum Torhüter des Jahres 2009 gekürt wurde. Der 29-Jährige steht derzeit beim Afrika-Cup zwischen den Pfosten. Zumindest im ersten Spiel blieb die Null hinten stehen, es ist jedoch fraglich ob Burkina Faso ein echter Prüfstein ist. Richtige Herausforderer, die ihm das Einser-Leiberl streitig machen könnten, gibt es keine. Über einen echten Klassetorman verfügt die Elfenbeinküste nicht.

In der Abwehr sieht es da schon anders aus: Mit Kolo Touré (28, Ex-Arsenal, jetzt Manchester City) gibt es einen Abwehrchef, der sich in der englischen Premier League bereits einen Namen gemacht hat und jedes Wochenende seinen Mann steht. Sein Partner in der Innenverteidigung wird vermutlich Abdoulaye Meité (29) sein, der bei West Bromwich spielt und zuvor jahrelang für Olympique Marseille verteidigte. Um die Position des Linksverteidigers matchen sich Athur Boka vom Vfb Stuttgart und Siaka Tiéné, der in der Ligue 1 für FC Valenciennes spielt.
Alternativen sind Souleymane Bamba (Hibernian Edinburgh) oder auch der Hamburger Guy Demel, der jedoch eher auf der rechten Abwehrseite auflaufen wird.
Die gehörte früher Eboué (26, Arsenal), der zuletzt aber sowohl im Club als auch im Nationalteam immer die Position des rechten Flügelspielers bekleidete.

Unterstütz wird Eboué im Mittelfeld von zwei echten Hochkarätern: Yaya Touré, jüngerer Bruder von Innenverteidiger Kolo Touré, verdient seine Brötchen beim FC Barcelona und kommt dort regelmäßig zum Einsatz. Daneben wird wohl Didier Zokora spielen, defensiver Mittelfeldspieler vom FC Sevilla. Doch auch Tioté (23, Twente Enschede) und Emerse Faé (25, OGC Nice) werden gute Chancen auf einen Startplatz eingeräumt.

„Wir sind bereit. Wir wollen der ganzen Welt zeigen, was wir können. Jeder Afrikaner muss während der WM stolz sein“ - Didier Drogba


Das große Prunkstück im Kader von Vahid Halilhodzic ist aber zweifellos der Angriff. Auf den Flügeln wirbeln Gervinho (22) von Lille, an dem Barcelona bereits reges Interesse bekundet hat, und Salomon Kalou (24) von Chelsea London. Fallweise, und ohne einen großen Qualitätsverlust befürchten zu müssen, schickt der bosnische Nationaltrainer gerne auch Abdul Kader Keita (Galatasaray Istanbul), Bakari Koné (Olympique Marseille) oder Aruna Dindane (Portsmouth) aufs Feld.

Der absolute Topstar und Kapitän des Teams ist unumstritten Didier Drogba (31), Vereinskollege von Kalou bei Chelsea. Der exzentrische Mittelstürmer hat eine schier unglaubliche Trefferquote aufzuweisen: in 63 Länderspielen durfte der bullige Goalgetter über insgesamt 42 (!) Tore jubeln. Das gesamte Angriffsspiel ist auf Drogba zugeschnitten, der insbesondere in der Verarbeitung von hohen Bällen einsame Spitze ist. Drogba arbeitet enorm viel für die Mannschaft, lässt sich oft zurückfallen, hat folgerichtig ein enormes Laufpensum über 90 Minuten aufzuweisen.

Hinzu kommt der „Heimvorteil“ der ersten Weltmeisterschaft auf afrikanischem Boden. Es wird sich weisen, ob die Elfenbeinküste schon reif für mehr ist, reif für das Achtelfinale. Denn wenn „Les Elephantes“ die Gruppenphase überstehen, wird einiges möglich und ein gewaltiger Vorstoß nicht auszuschließen sein. Zumindest Kapitän Drogba ist sich (wenig überraschend) sicher: „Wir sind bereit. Wir wollen der ganzen Welt zeigen, was wir können. Jeder Afrikaner muss während der WM stolz sein“. Wie stolz die Elfenbeinküste nach dem Tunier auf ihre Fußballnationalmannschaft tatsächlich sein kann, hängt nicht zuletzt davon ab, ob Drogba seine Chancen wie gewohnt eiskalt verwertet. Die Erwartungshaltung ist groß. Doch der Druck Erfolg zu haben ist für Drogba & Co. nichts Neues.

Tipp: Die Elfenbeinküste wird die Gruppe G überstehen und mit Brasilien ins Achtelfinale einziehen. Die neue (taktische) Disziplin unter Vahid Halilhodzic in Verbindung mit den herausragenden Einzelkönnern nähren zurecht die Hoffnungen auf das Erreichen des Viertelfinales.

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