Donnerstag, 11. Februar 2010

Die friulische Lebensversicherung


Am Samstag tat er es schon wieder. Mit drei Toren, die letzten beiden davon in der 91. und 93. Minute, schoss er seinen Verein Udinese Calcio im Alleingang zum Sieg über Napoli, bewahrte so die Norditaliener wieder einmal vor einer Niederlage. Drei Tore in einem Spiel schaffen nicht viele Spieler auch nur einmal in ihrer Karriere. Freilich passiert das Antonio Di Natale auch nicht jeden Tag, es war aber bei weitem auch nicht der erste Hattrick in seiner Karriere (heuer traf er auch schon am 3.Spieltag gegen Catania drei Mal). Ansonsten scort Totó, wie ihn die Fans liebevoll nennen, gerne auch nur zwei, oder gar nur ein Mal. Sollte er mal ganz auslassen, kann man mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon ausgehen, dass der Udinese-Stürmer mindestens eine Torvorlage geliefert hat. Der Begriff „Tormaschine“ mag im Fußball etwas überstrapaziert sein, auf Antonio Di Natale passt er jedoch wie die Faust aufs Auge.

Lehrreiche Jahre in der Serie C

Alles begann für den 1,70m großen, wendigen und technisch beschlagenen Angreifer bei Empoli. 1996 gab er 19 jährig sein Debüt für selbigen Verein. Nach Anlaufschwierigkeiten wurde Di Natale von 1997-1999 zu unterklassigen Vereinen verliehen. Seine Stationen hießen Iperzola, Varese und Viareggio. Beim zuletzt genannten Klub konnte sich der zweifache Familienvater das erste Mal ein bisschen ins Rampenlicht spielen, erzielte 12 Treffer in 25 Spielen. Die Aufmerksamkeit, die ihm zu Teil wurde, war groß genug, um Empoli davon zu überzeugen, ihn zurückzuholen.

Eine Entscheidung, die die Toskaner nicht bereuen sollten. In 158 Spielen durfte Totó 49 mal über einen Treffer jubeln und war somit maßgeblich daran beteiligt, dass sich Empoli über Jahre hinweg in der Serie A etablierte, sogar einmal für den UEFA-Cup qualifizieren konnte. Der in Neapel geborene Angreifer traf so zielsicher, dass Giovanni Trapattoni 2002 nicht umher konnte, ihn in die Squadra Azzurra einzuberufen. Sein erstes Tor erzielte Di Natale 2004 im Freundschaftsspiel gegen Tschechien. Als Empoli im selben Jahr jedoch wieder den Gang in die zweithöchste Spielklasse antreten musste, schlug Di Natale aus seinem mittlerweile erarbeiteten Ruf Kapital und wechselte nach Friaul zu Udinese Calcio.

Dort bildete er gleich im ersten Jahr ein gefährliches Sturm-Trio mit Vincenzo Iaquinta (derzeit bei Juventus Turin) und David Di Michele (jetzt bei US Lecce). Und zwar so gefährlich, dass Udinese in der heimischen Liga den vierten Platz erreichte und somit international vertreten war. 2005/2006 war er der einzige italienische Spieler, der das Kunststück vollbrachte, in einer Saison sowohl in der Liga, in der Coppa Italia, im UEFA-Cup als auch der Champions-League zu netzen. In der Meisterschaft 2007/2008 durfte Totó 17-mal über ein selbsterzieltes Tor jubeln.

Auf dem Weg zur Legende

Heuer spielt Udinese eine ganz schwache Saison, in 22 Spielen konnte man gerade mal 24 Punkte ergattern und liegt somit nur zwei Zähler vor dem ersten Abstiegsplatz, den übrigens derzeit Lazio Rom (!) für sich beansprucht. Die enorme Bedeutung von Di Natale für den Verein aus dem Friaul lässt sich wunderbar mit eindrucksvollen Zahlen untermauern: insgesamt hat Udinese Calcio 26 Tore erzielt, satte 16 gehen davon auf das Konto Di Natales, den man somit ohne Befürchtungen hegen zu müssen, übertrieben zu haben, als Udines Lebensversicherung bezeichnen kann. Als würde das nicht ausreichen, kommt noch die Tatsache hinzu, dass der Offensivallrounder für diese 16 Tore lediglich 19 Einsätze benötigte.
Alleine in den ersten sieben Saisonspielen bugsierte Di Natale die Kugel nicht weniger als neun Mal über die Linie, wenig verwunderlich also, dass in der Torschützenliste der Serie A sein Name auch derzeit ganz oben steht. Von den angepeilten Europacuprängen ist der Verein bereits hoffnungslos abgeschlagen. Italiens Teamstürmer, ohne dem man zweifellos im tiefsten Tabellenkeller festsitzen würde, dafür am besten Weg, eine absolute Klublegende zu werden. Doch wer den Stürmer kennt, der weiß, dass er lieber ein paar Tore weniger auf seiner persönlichen Visitenkarte, stattdessen mehr Punkte auf der Habenseite seines Vereins sehen würde.

Arbeiter und Filigrantechniker in Personalunion

Dass Di Natale, der natürlich – wie könnte es anders sein – die Kapitänsbinde trägt, für Udinese also unverzichtbar ist, dürfte spätestens in Anbetracht dieser Zahlen auch der Letzte erkannt haben. Doch was macht den mittlerweile 32-Jährigen so stark und zum Schrecken aller (Serie A-) Torhüter? Zum einen ist es die Erfahrung, die der Angreifer über Jahre hinweg gesammelt hat: Di Natale kennt die Liga in- und auswendig, weiß über die Stärken und Schwächen seiner Gegner Bescheid. Er ist ein Stürmertyp, der sich am Feld für nichts zu schade ist, die Bälle gerne weit aus dem Mittelfeld holt. In Italien heißt das „seconda punta“, hierzulande weniger spektakulär „hängende Spitze“. Beim Ausfüllen dieser Rolle kommt ihm seine technische Raffinesse zu Gute, durch die er auch durchaus mal ein, zwei Gegenspieler stehen lassen kann. Hinzu kommt eine enorme Ballsicherheit, die ihm zu einem echten Ruhepol im Spiel von Udinese werden lässt. Ebenso aus der Distanz ist er mit seinem sowohl starken wie auch präzisen Schuss brandgefährlich, eine Gabe, die er schon öfters in Zählbares ummünzen konnte.

Und auch in der Nationalelf hat sich Di Natale in den letzten Jahren als universell einsetzbarer Spieler ein gewisses Standing erarbeitet. Unter Marcello Lippi zählt er stets zum Stammpersonal. So durfte Di Natale am 18.November des Vorjahres auch zum ersten Mal die Squadra Azzurra als Kapitän aufs Feld führen, er wird sich vermutlich gerne daran zurückerinnern, Italien schlug die Schweden mit 1-0. Außerdem durfte der Stürmer, dessen Name korrekt übersetzt eigentlich „von Weihnachten“ heißt, neben dieser Premiere auch gleichzeitig ein Jubiläum feiern, und zwar das des 30. Einsatzes (9 Tore) im Trikot der Squadra Azzurra. Bei der Euro 2008 war Totó ebenso mit von der Partie wie er es auch bei der WM 2010 sein wird.

Die Verantwortlichen in Udine wissen ganz genau, was sie an Antonio Di Natale haben. So ist es keine Überraschung und ein echter Vertrauensbeweis, dass sein Vertrag trotz etwas fortgeschrittenen Alters bis 2013 verlängert wurde. Die Schwarz-Weißen tun auch gut daran, weiterhin alles daran zu setzen, Di Natale zu halten. Denn so keiner mag sich wirklich ausmalen, wie oder gar in welcher Liga der Verein ohne die „friulische Lebensversicherung“ wohl spielen würde.

Follower