Eigentlich hatte ja alles recht vielversprechend begonnen. Der legendäre, ehemalige Innenverteidiger Ciro Ferrara (253 Spiele im Juventus-Dress) konnte in seinem Interimsengagement als Chefcoach nach Ranieris Entlassung auf Anhieb überzeugen und einen gelungenen Abschluss einer eher verfahrenen Vorsaison der Bianconeri bewerkstelligen. Heuer jedoch folgte dann die große Ernüchterung. Nachdem man zunächst sehr gut aus den Startlöchern gekommen war, strauchelte die Alte Dame unter Ferraras Regentschaft spätestens in den Monaten November und Dezember gehörig. Und auch nach dem Jahreswechsel ging es nicht bergauf, stand das Wort „Krise“ in ständiger Verbindung mit dem italienischen Rekordmeister. Den negativen Höhepunkt stellt gewiss das Ausscheiden in der Champions-League – Gruppenphase dar. Bayern München und das zugegebener Maßen groß aufspielende Bordeaux, die auch zwei Mal die Bayern schlugen, erwiesen sich als zu stark für das krisengebeutelte Juventus.
„Wir brauchen nicht um den heißen Brei herumreden: Wir befinden uns in einer heiklen Lage“ - Ciro Ferrara hat die Situation erkannt
Ciro Ferrara war als Spieler zweifellos eine Legende, ob er sich selbigen Status auch in seiner Trainerlaufbahn erarbeiten kann, wird sich in den nächsten Jahren, möglicherweise ja sogar Jahrzehnten, weisen. Auf jeden Fall muss sich auch das Präsidium rund um Jean-Claude Blanc und Sportdirektor Alessio Secco den Vorwurf gefallen lassen, mit Ferrara einen beinahe vollkommen unerfahrenen Trainer engagiert zu haben. Freilich ist es jetzt leicht, diese damals schon als mutig befundene Handlung, im Nachhinein als blauäugig und naiv kritisieren. Dass es ja auch funktionieren kann, zeigt das Paradebeispiel von Pep Guardiola und dem FC Barcelona (sechs Titel 2008/2009 kann man als geglückt bezeichnen).
Ciro Ferrara hatte immerhin mehrere Kurzzeitengagements vorzuweisen: direkt nach Karriereende wurde Ferrara Teil im Trainerstab seines Lehrmeisters Marcello Lippi. Als Co-Trainer trug der damals 39-Jährige mit zum Gewinn des Weltmeistertitels 2006 bei. Danach vertrieb sich Ferrara die Zeit als Koordinator der Jugendabteilung bei den Turinern und jobbte zwischendurch auch als Kommentator für Sky Italia. Schließlich nahm ihn wieder Lippi nach dessen Rückkehr auf die Trainerbank der Squadra Azzurra in den Trainerstab auf.
Seit 2009 und Ranieris Rauswurf übernahm Ferrara ursprünglich nur interimistisch für die letzten zwei Saisonspiele, um die direkte Qualifikation zur Champions-League und den damit verbundenen Vizemeistertitel zu schaffen. Aus einem anfänglich zögerlichen Bekenntnis der Vereinsführung zu Ferrara wurde in der Folge ein klarer Arbeitsauftrag, bewaffnet mit „vollstem Vertrauen“ des Vorstands. Zuvor hatte noch schnell Wunschtrainer Luciano Spaletti den Bianconeri abgesagt, der bei der Roma bleiben wollte (und ebenso im Herbst gefeuert wurde). Mit soviel Rückendeckung ausgestattet, krempelte Ferrara gleich mal den ganzen Kader um: Fabio Grosso (von Lyon), Felipe Melo (Fiorentina), Diego (Werder Bremen) und Altmeister Fabio Cannavaro (Real Madrid) wurden geholt, um Inter endlich vom Ligathron zu stoßen und den Scudetto wieder heimzuholen.
Doch nach dem – bereits erwähnten – guten Ligastart kam alles anders. In der Liga kämpft man um einen CL-Platz, international geht die Alte Dame ohnehin am Stock, in der Europa-League wartet Ajax Amsterdam. Jüngst setzte es eine 0:3 – Heimschlappe gegen den AC Milan und das späte, aber doch verdiente Aus in der Coppa gegen Inter (1:2). An Ciro Ferraras Trainersessel, der seit Wochen, ja sogar Monaten äußerst umstritten ist, wird jetzt weiter fleißig gesägt. Der Abschied scheint unausweichlich, schon heute Nachmittag könnte es endgültig „Ciao Ciro!“ heißen. Guus Hiddink oder Rafa Benitez sind nur zwei der zahlreichen Namen, die gegenwärtig den Blätterwald zum Rauschen bringen. Doch beide sind für Juventus Turin wohl zu teuer.
Dieser Kader ist stark und hat den Charakter, um diese Krise zu überwinden. - Ferrara glaubt noch an die Wende
Aussichtsreiche Chancen werden Claudio Gentile und Alberto "Zac" Zaccheroni eingeräumt. Gentile ist seit Jahren mehr oder weniger erfolgreich Trainer der U21 Italiens, Zaccheronis letztes Engagement datiert aus dem Jahre 2007, als er nach sieben Niederlagen aus den letzten acht Spielen als Coach vom Torino FC entlassen wurde. Weiters genießt Zaccheroni in Italien denselben Ruf wie hierzulande Constantini, und zwar den des Feuerwehrmanns, der in letzter Sekunde einspringen und existenzbedrohte Klubs vom Abstieg bewahren soll. Juve steht zwar momentan alles andere als gut da, vom Gang in die Serie B ist man jedoch ein gutes Stück entfernt, es sei denn Luciano Moggi feiert ein überraschendes Comeback. Das fünfjährige Berufsverbot DER zentralen Figur des Wettskandals 2006 endet ja nächstes Jahr auch schon wieder. Gerüchte machen die Runde, dass entweder Gentile oder Zaccheroni (wohl eher letzterer) bis Sommer übernehmen könnte, um den Verein auf schnellstem Wege zu konsolidieren.
Was Juve jetzt jedoch braucht wie einen Bissen Brot ist ein langfristiges, gut durchdachtes Konzept. Und irgendwie kommt man da in Turin nicht um den Namen Marcello Lippi herum. So auch diesmal nicht. Angeblich soll der 61-Jährige dann im Sommer nach der WM 2010 zurückkommen, um bei Juve wieder einmal alles ins Lot zu bringen. Lippi saß dort schon von 1994 bis 1999 und von 2001 bis 2004 auf der Bank und weiß demnach, was auf ihn zukäme und wie die Mechanismen in Turin greifen. Ob Lippi mit 61 Jahren aber auch dieses Mal der richtige Mann für Juve ist, bleibt abzuwarten. Es wäre wieder ein Neubeginn gefragt, eine völlig neue Mannschaft aufzubauen. Jetzt viel Geld auf den Tisch zu legen und dafür einen Toptrainer á la Hiddink an Land zu ziehen wäre wohl nicht das Schlechteste. Doch auch der Holländer ist nicht unbedingt einer, auf den man sich jahrelang verlassen kann. Das belegen seine zahlreichen Kurzengagements in der Vergangenheit und die Tatsache, dass sein Hauptaugenmerk wohl auf der „Sbornaja“, der russischen Nationalmannschaft liegt.
Rückblickend hat sich Ferrara mit seinem Trainerengagement bei Juve sicherlich keinen Gefallen getan, die Zukunft wird zeigen, wie stark sein Denkmal, das er sich selbst als beinharter Weltklasseverteidiger gesetzt hat, angekratzt ist. Es ist ihm zu wünschen, dass ihn die Tifosi als solchen in Erinnerung behalten und nicht als erfolglosen, überforderten Trainer.